Vermerk des Reichsministeriums des
Innern über die
Besprechungen in Graz betreffend
Okkupationsmassnahmen
in den besetzten slowenischen
Gebieten(1)
Der Reichsminister des
Innern Berlin, den
April 1941
I SO
Referent: RR. Dorsch.
Geheim
Expedient:
über die Besprechungen in
Graz vom 8. bis 9. April 1941.
Die Besprechungen fanden
statt zwischen Herrn Staatssekretär Dr. Stuckkart(2) und Gauleiter
Uiberreither, Reg. Präs. Müller-Haccius,(3) stellvertr. Gauleiter
Kutschera.
1. in der Frage der Grenzziehung zwischen dem sofort
in Zivilverwaltung übergehenden und dem unter Militärverwaltung verbleibenden
Gebiet ergab sich volle Übereinstimmung auch in den Einzelheiten. Die Grenze
soll demnach gemäss Führerentscheidung dicht nördlich Laibach verlaufen, dann
die Höhenzüge auf dem rechten Ufer der Save einbeziehen und südlich Rann die
Save überschreiten. Eine kleine Erweiterung über die im Sotlatal verlaufende
historische Grenze hinaus wurde vorgesehen. Ebenso sollte die neue Grenze etwas
südlich der im Drautal verlaufenden historischen Grenze gelegt werden.
Bezüglich des nicht innerhalb der historischen Grenzen liegenden
Übermurgebiets wurde mit dem Generalquartiermeister (MDirig. Dr. Danckwerts)
vereinbart, dass das Gebiet zunächst formell in deutsche Militärverwaltung
übergehen soll. Das Gebiet ist in seiner westlichen Hälfte überwiegend von
Deutschen und zum Deutschtum hinneigenden Prekmurzen besiedelt, während der
östliche Teil hauptsächlich von Ungarn bewohnt ist. In den beiden zum
Übermurgebiet gehörenden Bezirken Unterlimbach und Olsnitz werden politische
Kommissare eingesetzt, die nach aussen hin der Militärverwaltung unterstehen, im
Innenverhältnis jedoch fachliche Weisungen vom Reichsstatthalter in Graz
empfangen. Auf diese Weise soll die spätere Grenzziehung zwischen
Militärverwaltungs-und Zivilverwaltungsgebiet vorbereitet werden unter
gleichzeitiger Vermeidung aussenpolitischer Schwierigkeiten mit den Ungarn.(4)
Die innere Grenze zwischen
Krain und Untersteiermark verläuft im Norden auf der historischen Grenze und
gibt dann zur Untersteiermark das Gebiet rechts der Save sowie das
Braunkohlenbecken von Sagor, das mit dem untersteirischen Kohlengebiet eine
Einheit bildet.(5)
Zusatz: Im Anschluss an den am 10. April d. Js. beim Führer
stattgefundenen Vortrag von Herrn Staatssekretär Dr. Stuckart wurde seitens
des Führers die in Graz vereinbarte Grenzziehung mit der Massgabe gebilligt,
dass im Osten aus aussenpolitischen Gründen (Kroatien) auf die historische
Grenze zurückgegangen werden soll, d. h. also, dass im wesentlichen das
Sotlatal und die Drau die Grenze bilden werden. Die Regelung bezüglich des
Übermurgebietes wurde gebilligt.
2. In Verfolg der Operationen hatte das deutsche OKH
das italienische Oberkommando gebeten, seinerseits in den Nordteil von Krain
einzurücken und eine taktische Grenze zwischen deutschen und italienischen
Truppen etwa auf der Mitte zwischen Save und der historischen Grenze zwischen
Krain und Untersteiermark gebildet. Diese Regelung war offenbar in Unkenntnis
der Führerentscheidung ergangen, nach der der Nordteil Krains in deutsche
Zivilverwaltung übernommen werden soll. Es hätten sich daraus für den vorgesehenen
Chef der Zivilverwaltung in Krain, stellv. Gauleiter Kutschera Schwierigkeiten
ergeben. Insbesondere war es nicht möglich in Graz die Frage zu klären, in
welcher Form Gauleiter Kutschera die Zivilverwaltung der von den Italienern
besetzten Gebiete übernehmen sollte. Ausserdem musste das italienische
Oberkommando davon unterrichtet werden, dass es lediglich die taktische
Besetzung Nordkrains durchzuführen hat und dass das Gebiet sofort in deutsche
Zivilverwaltung genommen wird.(6) Zusatz: In der am 10. April d.
Js. erfolgten Führerentscheidung wurde festgelegt, dass es bei der Übernahme
des Nordteils Krains ohne Laibach in deutsche Zivilverwaltung bleibt. Der
Führer wird die Unterrichtung des italienischen Oberkommandos über den Duce
persönlich veranlassen.
3. Organisation und Einsatz der Zivilverwaltung in
der Untersteiermark.
Gemäss den vom
Reichsstatthalter und Gauleiter Uiberreither getroffenen Vorbereitungen ist
bereits ein Einsatzstab des CdZ Untersteiermark gebildet worden. Ihm sind unterstellt
17 sogen. politische Kommissare für die 17 Bezirke der Untersteiermark. Diesen
Kommissaren ist ebenfalls ein Stab beigegeben. Die Auswahl der Kommissare ist
nach solchen Gesichtspunkten erfolgt, die es erwarten lassen, dass sie in der
ersten Zeit genügend eigene Initiative entwickeln, um in ihren Bezirken die
Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, die deutschfeindlichen Elemente zu
beseitigen, die wichtigen Anlagen zu schützen und Landwirtschaft und Industrie
schnellstmöglich wieder in Gang zu bringen. Eine Liste der 17 Kommissare wird
vom Reichsstatthalter in Kürze nachgereicht. Der Sitz des CdZ wird Marburg
sein, der Aufruf der Organisation des CdZ erfolgt in engstem Einvernehmen mit
dem Heer. Als erste Massnahme ist ein Aufruf an die Bevölkerung durch Presse,
Rundfunk usw. vorgesehen, durch den die Einrichtung der Zivilverwaltung
bekannt gemacht wird.(7) Die Dauer der Tätigkeit der politischen
Kommissare ist nur für kurze Zeit gedacht. In dieser Zeit sollen die notwendigsten
und einschneidenden Massnahmen durchgeführt werden, um das Gebiet zu befrieden.
Es ist beabsichtigt sämtliche Nationalslowenen auszuweisen sowie alle aus
Serbien nach 1914 zugewanderten Personen abzuschieben.(8) Eine sofortige
Meldepflicht wird eingeführt, alle slowenischen Organisationen werden
aufgelöst, ihr Eigentum wird beschlagnahmt und dem Steirischen Heimatbund zur
Verfügung gestellt.(9) Der Steier. Heimatbund wird gegründet. Er umfasst
sowohl Deutsche als auch die in ihrer Mehrzahl deutschfreundlichen Windischen.(10)
Durch Erlass einer Sprachenverordnung wird der deutsche Charakter der
Untersteiermark wiederhergestellt. Ortsnamen, Strassenschilder,
Geschäftsschilder usw. sind sofort auf die deutsche Sprache umzustellen.(11)
Auf wirtschaftlichem Gebiet ist eine Erfassung der Vorräte und Feststellung der
industriellen Produktion vorgesehen.(12)
Diese Sofortmassnahmen
sollen ungefähr nach vier bis sechs Wochen beendet sein. Die politischen
Kommissare werden alsdann abberufen. An die Stelle der 17 Bezirke treten 5
grosse Landkreise sowie der Stadtkreis Marburg. Die politischen Kommissare, die
später als Landräte bzw. Oberbürgermeister vorgesehen sind, erhalten schon
jetzt den Bezirk zugewiesen, der später Sitz ihres Grosskreises sein wird.(13)
Eine eingehende Aufsicht wird feststellen, ob diese politischen Kommissare
sich für ihr späteres Amt als Landrat eignen. Die Landräte werden in Zukunft
gleichzeitig politische Beauftragte der Partei, was im diesem Falle bedeutet,
dass sie in ihrem Kreisen die Aufsicht über den Steir. Heimatbund führen
werden.
Die alte Reichsgrenze
bleibt zunächst nach Einrichtung der Zivilverwaltung und nach Abzug der
deutschen Truppen durch den verstärkten Grenzaufsichtsdienst und Polizei noch
besetzt. Sobald als möglich, wird die Zollgrenze vorverlegt. Die alte
Zollgrenze soll aufgehoben werden, jedoch als Polizeigrenze bestehen bleiben.
Einreiseerlaubnis in das Gebiet der Zivilverwaltung erhalten nur solche
Personen, die vom CdZ in Marburg angefordert wurden und auf seine Anweisung hin
in Graz einen Passierschein erhalten haben. Auf diese Weise soll ein Ausverkauf
des besetzten Gebiets verhindert werden.
4. Aufstellung, Organisation und Ziel des
Steirischen Heimatbundes. In dem neuen Gebiet wird die NSDAP nicht
aufgebaut. An ihre Stelle tritt der Steier. Heimatbund.(14) Er umfasst
die Volksdeutschen wie auch die deutschfreundlich gesinnten Windischen. Die
Organisation des Steir. Heimatbundes erfolgt in ähnlicher Weise wie die der
Partei. Seine Hauptaufgabe ist die Eindeutschung der Untersteiermark. Es
handelt sich demnach um eine Vorbereitungsarbeit, bis später nach einigen
Jahren der Steir. Heimatbund in die Partei überführt werden kann. Nur ganz
besonders verdiente Volksdeutsche können schon jetzt in die Partei übernommen
werden. Die Führung in den Ortsvereinen, Kreisvereinen werden in der Hauptsache
Volksdeutsche übernehmen, ebenso wird der stellv. Bundesführer ein
Volksdeutscher sein,(15) während der Bundesführer der derzeitige
Gauorganisationsleiter sein wird,(16) ein SA-Standartenführer; vorgesehen
sind ferner Jugendorganisationen und Wehrmannschaften innerhalb des
Heimatbundes. Es ist zunächst nicht so sehr beabsichtigt, das Hauptgewicht auf
eine politische Schulung zu legen, sondern erst einmal die Bevölkerung
einzudeutschen, d. h. zu erreichen, dass sie sich auf ihre frühere
mehrhundertjährige Zugehörigkeit zum Reich besinnt und entsprechend auch jetzt
einstellt. Die Schulung wird grundsätzlich in Deutsch erfolgen,(17) jedoch
dort, wo die Bevölkerung Deutsch nicht versteht, auch in windischem Dialekt
durchgeführt werden müssen.
Der Steier. Heimatbund wird
als äussere Abzeichen Fahnen und Armbinden in grün-weissen Farben erhalten.
5. Die Behandlung der Nationalslowenen in Krain und
Untersteiermark. Die Nationalslowenen in Untersteiermark, die Slowenen in
Krain und die slowenisierten Windischen werden grundsätzlich als Staatsfeinde
behandelt. In Untersteiermark werden grundsätzlich sämtliche Nationalslowenen
abgeschoben, in Krain lediglich die als besonders deutschfeindlich bekannten.
Bei den auszuweisenden handelt es sich im allgemeinen um Lehrer, Geistliche,
Beamte, freie Berufe und den halbgebildeten Mittelstand. Ihr Vermögen wird
beschlagnahmt und eingezogen.(18) Das gleiche gilt von dem
kirchlichen Vermögen. Zur Verwaltung des Vermögens wird eine Treuhandstelle
beim CdZ gegründet. Der CdZ selbst ist Beauftragter des Reichskommissars für
die Festigung deutschen Volkstums. Die Aufsicht über die beauftragten
Treuhänder der Treuhandstelle wird durch die Landräte geführt. Späterer Erwerb
slowenischen Vermögens darf in keinem Fall unentgeltlich erfolgen.
6. Die Behandlung der Windischen. Die sogen.
Windischen nehmen eine Art Zwischenstellung zwischen Deutschen und Slowenen
ein. Es handel: sich im wesentlichen um die Landbevölkerung, die von jeher dem
Habsburger Reich, später Österreich und dem Deutschen Reich loyal
gegenüberstanden. Sie werden auch jetzt den Anschluss stark begrüssen, da sie
hiervon vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet Vorteile haben. Die Eindeutschungspolitik
wird bei ihnen auf fruchtbaren Boden fallen. Rassisch gesehen besteht kaum ein
Unterschied zu den Menschen in der Steiermark. Die deutsche Sprache ist noch
aus der Zeit vor 1918 weitgehend bekannt. Bei den Jüngeren wird durch Erziehung
und Besuch von Sprachkursen viel zu erreichen sein. Durch Erfassung im Steier.
Heimatbund und seinen Gliederungen, sowie durch den engen Kontakt, den die
Windischen mit den Deutschen auf allen Gebieten bekommen werden, wird die
Eindeutschung beschleunigt.(19)
Es ist vorgesehen, den
Windischen die deutsche Staatsangehörigkeit zu erteilen. Die gesetzliche
Regelung erfolgt bei endgültiger Überführung des neuen Gebiets in das Reich. Es
ist beabsichtigt, die Staatsangehörigkeit zunächst nur auf Widerruf zu erteilen.(20)
7. Die wirtschaftlichen Massnahmen bestehen zunächst
hauptsächlich darin, die Produktion im Agrarsektor zu heben und möglichst
grosse Überschüsse in das alte Reichsgebiet zu liefern. Löhne und Preise sollen
nur langsam angeglichen werden. Jedoch wird darauf geachtet, dass die Löhne
sich den Reichslöhnen nur nähern und sie nicht etwa überschreiten. Auch die
weitere Erschliessung der industriellen und bergbaulichen Grundlagen wird der
CdZ in die Hand nehmen. Es ist insbesonders eine weitere Aufschliessung der
Braunkohlengruben um Trifail und Sagor gedacht.
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(1) Marburger Zeitung 9. 4. 1941.
(1) BA Koblenz, RMI, R 18/5429, (10 S.).
Der Vermerk wurde am 12. 4.
1941 vom Regierungsrat Dorsch paraphiert und
vermutlich auch von ihm
redigiert.
(2) Der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern
Dr. Wilhelm Stuckart wurde im April 1941 zum Leiter der Zentralstelle im
Reichsministerium des Innern für die besetzten Südostgebiete ernannt.
(Mitteilung des Reichsministers des Innern Dr. Wilhelm Frick an die Chefs der
Zivilverwaltung in den besetzten slowenischen Gebieten vom 22. 4. 1941, Dok.
NG-3456).
(3) SS-Oberführer Dr. Otto Müller-Haccius.
Über die
nationalsozialistischen Expansionsziele in Prekmurje (Übermurgebiet) siehe Dok.
Nr.2.
(5) Das Gebiet um Zagorje ob Savi (Sagor) gehörte einst
zu Krain und wurde im April 1941 von der deutschen Zivilverwaltung in die
Untersteiermark eingegliedert.
(6) Das von der deutschen und der italienischen
Wehrmacht vom 6. bis 11. April besetzte Gebiet Gorenjsko (Oberkrain) wurde am
30. April 1941 in deutsche Zivilverwaltung übernommen. Siehe Dok. Nr. 44.
(7) Der Chef der Zivilverwaltung in der Untersteiermark
Dr. Sigfried Uiberreither tat dies in seinem Aufrufe auf Plakaten. Der Aufruf wurde
in deutscher und slowenischer Sprache auch im Verordnungs- und Amtsblatt des
Chefs der Zivilverwaltung in der Untersteiermark, Jg. 1941, Stück 1, 15. 4.
1941 veröffentlicht.
(8) Siehe Dok. Nr. 23.
(9) Siehe Dok. Nr. 18, 20, 32 und 33.
(10) Siehe Dok. Nr. 24, 34, 39 und 52.
(11) Siehe Dok. Nr. 36 und 42.
(12) Siehe Verordnung des Chefs der Zivilverwaltung in
der Untersteiermark vom 14. April 1941, veröffentlicht im Verordnungs- und
Amtsblatt des Chefs der Zivilverwaltung in der Untersteiermark, Jg. 1941,
Stück 1, 15. 4. 1941.
(13) In der Untersteiermark wurden die Bezirke aufgelöst
und an 1. Juli 1941 mit der
Verordnung des Chefs der
Zivilverwaltung in der Untersteiermark vom 18. Juni
1941 die Landkreise Marburg
a. d. Drau, Pettau, Cilli, Trifail, Rann a. d. Save und
der Stadtkreis Marburg a.
d. Drau gebildet. (Verordnungs- und Amtsblatt des
Chefs der Zivilverwaltung
in der Untersteiermark, Jg. 1941, Nr. 25, 20. 6. 1941). ~ (14) Siehe
Dok. Nr. 24 u. 52.
(15) Zum stellvertretenden Bundesführer des Steirischen
Heimatbundes war der damalige Gauführer des Schwäbisch-deutschen Kulturbundes
in Draubannschaft (Dravska banovina), der evangelische Pastor in Maribor Hans
Baron vorgesehen. Er wurde jedoch nicht ernannt und diese Stelle blieb bis zum
Ende des Krieges unbesetzt.
(16) Franz Steindl, der in der ersten Hälfte des April
1941 auch die Stellung des Stabsleiters des Einsatzstabes des Chefs der
Zivilverwaltung in der Untersteiermark bekleidete.
(17) Siehe Dok. Nr. 62.
(18) Siehe Dok. Nr. 23.
(19) Siehe Dok. Nr. 178.
(20) Siehe Dok. Nr. 153.